Nachdem ich von meinem Lungenfacharzt die Überweisung ins Krankenhaus bekommen habe, holte ich mir schnell ein paar Sachen aus meiner Wohnung die keine 500 Meter vom Krankenhaus entfernt liegt. Ich ahnte bereits, dass ich nicht nur für ein paar Stunden bleiben werde. Ich packte nur einen Pyjama und eine Zahnbürste in einen kleinen Rucksack und begab mich auf den Weg in die völlig überfüllte Ambulanz. Es war etwa 16 Uhr als ich Platz nahm und darauf wartete aufgerufen zu werden. Unerwartet, wurde ich nach nicht einmal einer halben Stunde Wartezeit aufgerufen.
Ich wurde in einen Untersuchungsraum gebeten. Dort machte man ein EKG, weitere Routineuntersuchungen, nahm mir Blut aus den Arterien und Venen ab und bat mich wieder im Wartebereich Platz zu nehmen. Mein Puls war zu diesem Zeitpunkt bei 146. Mein Herz raste.
Stunden vergingen bis ich wieder jemanden meinen Namen rufen hörte. Eine Schwester erklärte mir, dass ich zum Röntgen müsse und erklärte mir wie ich dort hinkomme. Es war kein langer Weg, fühlte sich aber wie der Gang durch ein Labyrinth an, der kein Ende nahm.
Dort angekommen wurde ein Röntgenbild gemacht und ich durfte wieder in den Wartebereich zu den unzähligen anderen Patienten. Wieder saß ich dort, hatte unglaubliche Angst davor was als Nächstes passieren würde.
Keiner durfte mich bei diesem ungewollten Abenteuer begleiten, da es wegen Corona eine Regelung gab die keine Begleitpersonen erlaubte.
Stunden vergingen, draußen wurde es dunkel. Dann kam der nächste Aufruf. Es ging zum CT. Mein erstes CT in meinem ganzen Leben. Mein Herz raste da ich keine Ahnung hatte wie so etwas abläuft. Mittlerweile weiß ich gar nicht wie viele ich bereits davon hatte. Ich wurde von einer netten Dame hineingebeten, musste meinen Oberkörper frei machen und legte mich dann in die Röhre. Ich habe keine Ahnung wie lange das dauerte.
Der ganze Tag fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Nach Abschluss der Untersuchung wurde ich wieder zurück in den Wartebereich geschickt. Von da an hatte ich das Gefühl in einer Endlosschleife zu sein. Stunden vergingen, Minuten fühlten sich unendlich an. Ich wurde immer nervöser, begann im Kreis zu spazieren, versuchte mich abzulenken.
Und dann war es so weit. Es war gegen 22 Uhr als mich die diensthabende Ärztin aufrief und zur Seite bat. Es war eine sehr junge Frau, deutlich aufgeregt mir die Resultate der Untersuchungen übermitteln zu müssen. Sie sah mich mit glasigen Augen durch ihre zierliche Brille an und sagte:
Wir haben am CT eine Raumforderung in der Größe von etwa 15 cm gefunden. Wir wissen nicht was es ist. Es kann ein Tumor oder ein Lymphom sein. Sie werden die Nacht bei uns verbringen und morgen in die Thoraxchirurgie ins LKH Nord gebracht. Dort findet dann eine Biopsie statt.
Ich hörte ihr zwar zu, hatte dabei aber das Gefühl, dass mir jemand den Boden unter den Füßen wegzog und ich begann in ein unendliches Loch zu fallen. Das schrecklichste Gefühl, das ich bis dahin jemals gefühlt habe. Ich begann erst nach einigen Momenten zu weinen als ich wirklich realisiert habe was sie mir eben erklärt hatte, war aber fassungslos.
Sie begleitete mich in ein Büro wo sie mir einige Momente alleine gab um mich zu sammeln und die Neuigkeiten zu verarbeiten. Das funktionierte nicht. So sehr ich es auch versuchte. Ich kniff mich mehrmals an meinen Armen um sicherzugehen, dass ich nicht träume. Ich dachte sowas kann mir nicht passieren. Das Ganze muss ein Irrtum sein. Ich möchte das nicht.
Ich rief nach meinem Realitätscheck meine Familie an, konnte kaum sprechen oder erklären was passierte. Jedes ausgesprochene Wort fühlte sich so falsch an. Ich hörte mich selbst das erste Mal sagen, dass man bei mir Verdacht auf Krebs hatte. Ein ekelhaftes Gefühl, das niemandem, niemals widerfahren sollte. Mir stellten sich so viele Fragen, die ich mir nicht beantworten konnte. Die mir zu diesem Zeitpunkt niemand beantworten konnte.
Werde ich jetzt sterben? Was wenn ich nicht stark genug bin, das alles durchzustehen? Und eine sich immer wieder wiederholende Frage : Warum ausgerechnet mir?
Völlig fertig, wurde ich von der Ärztin und einer Schwester aus dem Büro geholt. Sie legten eine Hand auf meine Schulter und versuchten mich zu trösten. Wir stiegen in den Fahrstuhl und ich wurde in ein Zimmer gebracht. Dort legte ich mich hin und wurde sofort an ein Antibiotikum gehängt. Meine Entzündungswerte waren zu diesem Zeitpunkt bei über 220. Ich bekam auch einige Mittel die mich beruhigen sollten und mir beim Schlafen helfen sollten, jedoch brachte das alles nichts. Ich war die ganze Nacht hellwach und malte mir die schlimmsten Dinge aus.
Die Nacht verging langsamer denn je und ich sah aus dem Fenster und dachte an meine vier Wände die ein paar Minuten von mir entfernt lagen. Wie sehr wünschte ich mir auf meiner Couch zu sitzen und einen Film anzusehen. Während meine Gedanken mich wach hielten merkte ich, dass es langsam morgen wurde. Das Zimmer in dem anfangs nur ich lag, füllte sich über die Nacht verteilt und in der Früh war kein Bett mehr frei. Kein Wunder, die Ambulanz war auch um 22 Uhr noch überfüllt. Die Schwestern brachten uns Frühstück und informierten mich, dass ich mich nach dem Essen anziehen und packen soll. Die Rettung würde mich abholen und in das LKH zur Thoraxchirurgie bringen.
Ein halbes Marmeladenbrot später war es dann auch so weit. Zwei Rettungssanitäter holten mich ab und wir fuhren los nachdem ich meinen Entlassungsbrief bekam. Meine erste Rettungsfahrt. Noch mehr Aufregung, die sich jedoch wegen völliger Übermüdung schnell wieder in Grenzen hielt. Ich konnte einfach nicht mehr und ließ alles geschehen. Es musste ja schließlich so kommen, oder? Im Grunde war die Fahrt nichts Besonderes wenn ich heute daran zurückdenke. Wäre ich nicht aus diesem einen bestimmten Grund in diese Gegend gefahren, würde ich mich nicht mal daran erinnern. Viel schlimmer war das Erlebnis, das ich hatte als wir unser Ziel erreichten.
Dazu gibt es mehr im nächsten Post. :-)