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Prinzessin, lass deinen Schlauch herunter

Eine junge Rettungssanitäterin bringt mich in den so genannten Turm in dem sich die Thoraxchirurgie befindet. Ich sitze in einem Rollstuhl während wir auf dem Weg in eines der oberen Stockwerke sind. Sie ist wahnsinnig freundlich und versucht mich aufzumuntern da ich sichtlich nervös und verängstigt die Umgebung betrachte und mir wünsche hier nicht sein zu müssen. Sie wiederholte mehrmals sich nicht vorstellen zu können, das ich in meinem Alter eine schlimme Diagnose haben könnte. Auch während der gesamten Fahrt quatschte sie mit mir und ich hatte sogar für eine Millisekunde das Gefühl, dass alles in Ordnung sei. Die Liftfahrt dauerte nicht lange und die Tür öffnete sich. Sie schob mich im Rollstuhl zum Anmeldeschalter.

Die Empfangsdame in der Bettenstation sah mich an und lächelte freundlich während sie mit leicht verwunderter aber mitfühlender Stimme meinte ich wäre ja viel zu jung um hier sein zu müssen. Ich brach mal wieder in Tränen aus während ich die Formulare ausfüllte und wartete von den Schwestern zur Aufnahme abgeholt zu werden. Auch sie versuchte mich zu trösten, erklärte mir, dass hier alle nett seien und ich keine Angst haben müsse. Das war ja alles schön und gut, änderte aber nichts an der Tatsache, dass ich hier war um zu erfahren welche Krankheit ich habe und das machte mir Angst. Ich verbrachte eine längere Zeit bei der Anmeldung und versuchte mich an die Umgebung zu gewöhnen. Kurz musste ich noch im Wartebereich Platz nehmen und auf die erste Untersuchung warten. Mein Herz raste wieder und mir wurde kalt vor Angst.

Zwei junge Damen, freundlich, ruhig und einfühlsam holten mich ab und brachten mich zur Blutabnahme in einen Raum. Ich war völlig fertig und zitterte. Mir wurde übel. Venen konnten sie keine finden um Blut abzunehmen, da ich vor Kälte zitterte und diese sich dann versteckten. Ich weiß gar nicht wie ich diese Situation beschreiben soll aber ich war so fertig, dass folgendes passierte :

Sie fragten ob ich hungrig wäre oder etwas bestimmtes zu trinken möchte oder irgendeinen Wunsch habe den sie mir erfüllen können um mir das Ganze etwas zu erleichtern. Ich sah beide etwas perplex an, denn das erwartete ich nicht. Ich bat um einen Becher Saft in der Hoffnung mich etwas zu fangen.  Sie brachten mir einen Verdünnungssaft der mir etwas Kraft gab und dann ging es los. Sie suchten nach einer Vene und piksten mich mehrere Male. Wir begannen über alltägliche Dinge zu reden und das half mir tatsächlich etwas zu entspannen. Sie erzählten von ihren Kindern, ich sprach ein wenig über mich und verdrängte kurz was um mich herum passierte.

Dann öffnete sich plötzlich die Tür und ein Chirurg in voller Montur betrat den Raum. Er stellte sich vor und erklärte mir, dass wir die geplante Biopsie statt morgen bereits heute machen würden. Ich erstarrte vor Aufregung und Angst. Die Krankenschwestern trösteten mich und versicherten mir ich sei in guten Händen. Genau genommen war es egal ob ich noch einen Tag oder gar 10 auf den Eingriff gewartet hätte. Bereit dafür wäre ich nie gewesen.

Ich hatte danach etwa zwei Stunden um mich vorzubereiten und zu erholen. Ich bezog mein Zimmer, bekam die adäquate Kleidung für die Biopsie und wartete darauf abgeholt zu werden um in den OP gebracht zu werden. Man schob mich im Bett durch die Station runter in den OP. Dort wartete der Chirurg mit seinen Assistenten auf mich und erklärte mir den Ablauf der Biopsie sowie der Thoraxdrainage welche notwendig war, da ich knapp 2 Liter Wasser in der Lunge hatte. Das Narkosemittel wirkte schneller als ich in dem Moment denken konnte und ich schlief ein.

Eine gewisse Zeit später wachte ich wieder im Zimmer auf. Ich hatte schreckliche Schmerzen oberhalb des Brustbereiches. Dort wurde die Probe des Gewebes entnommen. Auf der rechten Seite ragte ein Schlauch aus meinen Lungen heraus und verlief ganz bis zum Boden wo eine Wasserpumpe lautstark das Wasser aus der Lunge beförderte. Kein schöner Anblick. Es erinnerte ein wenig an einen Gartenschlauch den ich bei jedem Toilettengang mitnehmen musste. Der Schlauch war durchsichtig und relativ breit. Man konnte die Flüssigkeit erkennen, die abgepumpt wurde. Im Anschluss befand sich die Wasserpumpe, die unaufhörlich arbeitete und klang wie ein Whirlpool. Nur war es etwas weniger entspannend als ein Pool. Ein weiterer Schlauch war an die Pumpe angeschlossen. Er war rot und sicher mehrere Meter lang. Es war ein Prozedere, wenn ich mal aufstehen musste. Alleine war es ein Ding des unmöglichen. Immer musste mich eine Schwester begleiten und mir helfen. Nach und nach wurde das immer nerviger, denn in meinem Zimmer lagen drei weitere Damen und aufgrund von der Lautstärke des Gerätes konnte keine von uns wirklich schlafen oder ausruhen. Ich fragte ob es denn möglicherweise eine Alternative gäbe und erwartete, dass das nicht der Fall sein würde, jedoch bekam ich zu meiner Überraschung einen Behälter statt der Pumpe und drückte das Wasser mehrmals täglich manuell aus der Lunge. Das fühlte sich zwar nicht sonderlich angenehm an, war aber weniger umständlich und laut.

 

Zurück zu den Stunden nach dem Eingriff.

Ich hatte schrecklichen Durst und Hunger, durfte aber noch einige Stunden Nichts zu mir nehmen. Statt Wasser bekam ich zwei Schwämmchen die jeweils an ein Stäbchen angebracht waren. Diese tunkte ich in Wasser und befeuchtete meinen Mund. Ich bekam mehrere Infusionen Schmerzmittel an dem Tag sowie an den folgenden, bis die Schmerzen gelindert waren. Bewegen konnte ich mich nicht, ich lag nur auf dem Rücken und brauchte bei jeder größeren Bewegung Hilfe. Vor Allem der Schlauch und die Pumpe waren eine Herausforderung und ein unangenehmes Accessoire. 

Dieses trug bis kurz vor meiner Entlassung aus der Chirurgie. Zwei Tage bevor ich heim durfte, wurde der Schlauch gezogen. Ich konnte nicht fassen, dass das tatsächlich so funktionieren sollte wie man es mir erklärte aber so war es. Ich lag seitlich im Bett  und hielt mich am Gitter und an der Hand der anwesenden Schwester fest da ich wieder völlig verängstigt vor dem Bevorstehenden war. Nach ein paar Anweisungen von der Ärztin und der richtigen Atemtechnik, wurde der Schlauch gezogen und das Loch mit einem luftdichten Pflaster abgedeckt. 

Ab dem Moment als ich hier aufgenommen wurde, begann ich Medikamente einzunehmen, die meinen Zustand deutlich verbesserten.  Es waren zu dem Zeitpunkt noch unter anderem Schmerzmittel und Antibiotika sowie Thrombosespritzen, da auch die Teil der damaligen Befunde war. Bei meiner Entlassung, zeigte mir die Schwester wie ich mir die Spritze selbst verabreichen sollte. Damals fand ich das noch ganz schlimm. Dann wurde es Routine. Das blödeste daran ist, dass das in der Spritze enthaltene Heparin Blaue Flecken verursacht und auch ziemlich wehtun kann. Blutverdünner nahm ich in dieser Form bis weit nach der Chemo ein und stieg dann auf eigene Nachfrage auf Tabletten um. 

 

Ich wurde am Freitag entlassen und darüber informiert, dass ich in der folgenden Woche einen Anruf erhalte, sobald die Ergebnisse der Biopsie ankommen. Ich kann nicht behaupten, dass ich erleichtert war als ich heim durfte, denn mir stand noch so Vieles bevor.

 

Ich habe heute noch ein flaues Gefühl im Magen, wenn ich an den Turm zurückdenke. Das war mitunter die schlimmste Zeit in meiner gesamten Geschichte, denn ich durchlebte so Vieles und wusste am Schluss noch gar Nichts und verließ das Krankenhaus in Ungewissheit.

Es war kein märchenhaftes Erlebnis und ich möchte so etwas nie wieder durchmachen.