Das vergangene Jahr wurde von vielen Dingen geprägt und war eine emotionale Achterbahnfahrt. Es gab anfangs Tiefen die sich mühsam in Höhen verwandelten und manchmal wieder abwärts gingen. Ich hatte Angst, fühlte mich verunsichert, hatte Vorfreuden, traf viele neue Menschen und erlebte fast täglich Dinge die ich mir nicht einmal erträumen hätte können. All das hat mich in gewisser Art und Weise verändert und ließ mich an meine Grenzen stoßen. In einer Hinsicht haben all die genannten Dinge eine Gemeinsamkeit, die sie verbindet. Sie wurden alle von Tränen begleitet.
Mittlerweile gefühlt literweise Tränen. Es waren Angsttränen, Freudentränen aber auch Trauertränen die ich vergoss. Manchmal versuchte ich sie zurückzuhalten und ließ nicht zu, dass sie an meinen Wangen hinunterkullern, doch meistens waren sie selbstständig und nicht aufzuhalten.
Es ist kein Zeichen von Schwäche zu weinen. Ganz im Gegenteil. Seine Emotionen zu zeigen und nicht alles qualvoll in sich hineinzufressen ist eine Stärke die eine heilende Wirkung hat. Die Psyche leidet bei einer Krebserkrankung genauso mit wie der Körper. Auch sie muss entlastet und gepflegt werden. Sie muss mit positiven Dingen gefüttert werden um nicht schwach zu werden und gegen einen selbst zu arbeiten. Wird sie vernachlässigt oder gibt man sich ihrer schwachen Seite geschlagen hat man verloren.
Tränen entlasten. Gespräche zu führen fördert den Heilungsprozess und gleicht aus. Erfolge und positive Vibes sind Nahrung und Treibstoff ohne den man genauso wie ein Fahrzeug nicht vorwärts kommt.
Ich selbst habe auch psychologische Hilfe in Anspruch genommen und würde dies auch wieder tun. Ich kann jedem nur empfehlen sich helfen zu lassen wenn es zu viel wird und auch früher um es nicht einmal soweit kommen zu lassen. Jeder Ratschlag und jedes Gespräch hilft. Vor Allem Psychologen die in der Onkologie und Hämatologie tätig sind, haben meistens sehr viel Erfahrung mit solchen Patienten und wissen genau wie und womit sie helfen können. Ich hatte das Glück eine unglaublich nette und erfahrene Psychologin während meines stationären Aufenthaltes im Krankenhaus kennenzulernen und mit ihr regelmäßig sprechen zu dürfen. Sie nahm mir die Angst vor der ersten Chemotherapie, sprach mit mir über alles was mich belastete und half mir sehr in meinem Prozess, diese Situation zu akzeptieren und gegen diese anzukämpfen. Sie gab mir die Möglichkeit meine Krankheit, meine Sorgen und Ängste aus einer völlig neuen Perspektive zu betrachten und ihnen anders zu begegnen. Ich konnte bis zu unserem ersten Gespräch Nichts außer Angst mit meiner Diagnose verbinden. Das ist heute anders. Wenn ich über den Krebs spreche, denke ich an Mut, fühle Kraft und steuere ihm entgegen mit jedem ausgesprochenen Wort. Auch heute weine ich oft. Manchmal, wenn ich stolz darauf bin, was ich bisher geschafft habe, manchmal wenn ich mich überfordert fühle nach Wochenlangen Therapien oder auch wenn mir einfach danach ist. Es muss einfach raus.
Ich kann nur raten, dass ihr euch Hilfe holt wenn ihr spürt, dass ihr diese braucht. Lasst euch nicht den Mut und die Lebensfreude vom Krebs stehlen. Er nimmt schon so viel weg. Weint wenn ihr das Bedürfnis habt. Spült die Trauer und die Angst mit den Tränen weg, damit wieder ein Lächeln auf eurem Gesicht Platz hat. Big girls and boys do cry. Das ist ok so.
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H. C (Montag, 01 Mai 2023 22:21)
Liebe Tanja, ich bin eine ehemalige Lehrerin von dir in Steyr und muss deinen ganzen Bericht erst verarbeiten, ich denke viel an dich und werde mich demnächst melden,inzwischen viel Kraft und alles Gute H. C.