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Krebs & the city

Das wird keine Kolumne von Carrie Bradshaw über das Daten und die Liebe trotz Krebserkrankung. Es geht um Freundschaft, Selbstliebe und die Zeit während der Heilung und wie ich diese genutzt habe und noch immer nutze. Ich wohne in Graz, seit mittlerweile 8 Jahren und kann mir momentan auch keine andere Stadt zum Leben vorstellen. Hier sind meine Freunde, mein Leben, meine erste Wohnung, hier ist schon so viel passiert. Graz ist nicht zu groß und nicht zu klein. Sie hat den Großstadtflair gemischt mit Grünflächen und einer wunderschönen Altstadt, das liebe ich an ihr. Sie ist meine Wahlheimat seit 2015. Hier begann ich zu studieren, hatte einige Nebenjobs und lernte viele Menschen kennen. Graz wurde das Zuhause, der gerade mal 18 Jahre alten Tanja als sie fortging, studierte und Leute kennenlernte, auf Dates ging und das Leben in vollen Zügen genoss. Von der Tanja, die noch jung, verrückt und neugierig war.

Graz war damals nicht nur mein neues Zuhause, es war ein Abenteuer.

Diese Tanja kannte Graz damals noch nicht so gut wie sie es heute tut. Für sie war diese Stadt damals ein aufregendes Erlebnis, das volle Programm eines Studentenlebens.

Diese Tanja war noch unerfahren und energiegeladen. Sie war gesund. 

Damals hätte ich mir in den schlimmsten Träumen nicht ausmalen können, dass ich einmal diesen Blog schreiben würde. Ich hielt meine Gesundheit für selbstverständlich, genauso wie die meisten in dem Alter.

Damals lernte ich meine ersten Bekanntschaften in Graz kennen und dachte das werden alles einmal meine Freunde. Nur wenige von unzähligen aus dieser Zeit stellten sich als solche heraus. Sie begleiten mich auch heute durch diesen Kampf und ich liebe sie. Erst nach Jahren fand ich heraus, was eigentlich echte Freunde ausmacht. Es dauerte bis ich diese Menschen fand und sie in mein Herz schloss. Da lasse ich sie auch nicht mehr raus. Ich werde hier keine Namen nennen und weiß, dass sich diejenigen erkennen und angesprochen fühlen wenn sie diesen Eintrag lesen. Durch sie habe ich gelernt was es bedeutet für jemanden da zu sein. Bedingungslos. Was es heißt keine Angst haben zu müssen, egal was passiert, denn man ist nicht alleine. Man lernt diese Menschen kennen und lieben und kann sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen.  

 

Doch auf diesem ungewollten Abenteuer lernte ich eine andere Art von Liebe kennen. Ich lernte eigentlich sie umzusetzen . Spät und durch einen aus der Bahn werfenden Anlass begann ich mich auch mit Selbstliebe und meiner Beziehung zu mir selbst auseinanderzusetzen. An der Stelle fällt mir sogar ein Zitat von Bradshaw aus SATC ein, der es eigentlich auf den Punkt bringt. 

"The most exciting, challenging and significant relationship of all is the one you have with yourself."

 

Damit hatte Sarah Jessica Parker gar nicht mal so unrecht. Eine Beziehung zu sich selbst ist immer auch eine Gradwanderung zwischen Liebe und Schmerz. Viele denken auch, dass eine Beziehung ohne Schmerz eine Beziehung ist, die zu haben sich nicht lohnt. Für manche ist Schmerz mit Wachstum verbunden, aber woher wissen wir, wann die Wachstumsschmerzen aufhören und die andere Art von Schmerzen einsetzt? Sind wir Masochisten oder Optimisten, wenn wir uns auf all das einlassen?  Ich denke ohne diese Erfahrung, lernt man Nichts über sich selbst. Es hält einen von sich selbst fern wenn man sich aus Angst vor Schmerz, Erfahrung und Mut nicht auf sich selbst einlässt. Ich habe jetzt erst den Punkt erreicht an dem ich behaupten kann, dass ich anfange mich kennenzulernen. Dass ich erfahre wer ich eigentlich bin und wozu ich eigentlich fähig bin. Dass ich niemanden brauche um glücklich zu sein. Dass ich zuerst mich selbst glücklich machen muss um andere glücklich zu machen. Ich bin seit Monaten auf dem Weg der Selbstliebe die ich meine und habe bis jetzt zwar einen langen Weg hinter mir, jedoch sind das nur ein paar Schritte die ich geschafft habe. Es steht mir noch so viel bevor. 

Es ist wichtig sich selbst Zeit zu geben und nicht zu versuchen sein Glück zu erzwingen. Ich habe ungewollt viel Zeit, die ich so nutze wie ich es will. Ich tue mir etwas Gutes. Ich lerne Graz von ganz anderen Seiten kennen. Ich mache das zu ungewohnten Uhrzeiten. Ich denke nach. Ich denke über meine Zukunft nach, über meine Hoffnungen und Träume, über die Tatsache, dass ich lebe und so Vieles noch vor mir habe.

Gedanken sind der Stoff der meine zerrissene Gesundheit langsam flickt. Natürlich habe auch ich Tage an denen ich schlecht gelaunt bin und eine graue Wolke über mir schwebt. Von dem Moment am Morgen, wenn ich aufwache, bis zum Schlafengehen. Diese Wolke verschwindet aber wieder, genauso wie der Krebs.  

Der Krebs, den ich mit mir trage wenn ich durch das Graz spaziere in dem ich vor Jahren jede Straße das erste Mal durchquerte.  Als ich den Krebs nicht kannte. Heute ist er dabei, wenn ich neue Leute kennenlerne, wenn ich mit der Bim durch die Stadt fahre und durch Lokale gehe in denen früher die sorglose Tanja saß. Er ist überall dabei. NOCH. Ich habe beschlossen und vertraue mir, wenn ich sage, dass dieser Krebs bald nicht mehr ein Teil von mir sein wird. Ich werde wieder die alte Tanja. Genauso lebensfroh und neugierig und verrückt wie damals. Nur etwas älter und um einiges reifer und erfahrener. Voller neuer Erkenntnisse.

Mit dem Wissen, dass das Leben zu schön und viel zu kurz ist um sich den schlechten Momenten  hinzugeben und sich selbst nicht die Liebe zu bieten die man verdient.

 

 

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