· 

Ankunft im LKH, die erste Chemo

Das wird ein längerer Eintrag, da ich auf einige Punkte eingehen muss die relevant sind für den Rest der Geschichte.

Bevor ich in der Hämatologie das erste mal stationär aufgenommen wurde musste ich zur Gynäkologie- warum, erfahre ich selbst erst beim Termin. 

Wenn man etwas während einer Krebskrankheit lernt, dann ist es Geduld zu haben und die Tatsache, dass man Nichts weiß und auf nichts vorbereitet wird. Man wird ständig mit neuen Dingen konfrontiert. Das sind die Dinge die einem keiner im Voraus sagt, Dinge an die man selbst nicht denkt wenn man erfährt, dass man Krebs hat. Man denkt primär an eine Chemotherapie, an Heilung und das völlig Ungewisse. Dass die Chemo nicht nur die bösartigen Tumorzellen angreift, sondern auch gesunde Zellen im Körper, bedachte ich am Anfang nicht.

Ich landete also erstmal in der gynäkologischen Abteilung des LKH's. Ich wurde aufgerufen und nahm auf einem Stuhl mit Blick auf die Ärztin und die beiden anwesenden Schwestern Platz. Wir begannen über meine Diagnose zu sprechen und sie trug meine  Daten im System ein. Als wir den allgemeinen Teil der Besprechung beendeten ging es gleich auf die Fakten über. Die Gynäkologin klärte mich in Höchstgeschwindigkeit auf worum es ging. Ich sollte mich für eine Methode entscheiden, die mir die Möglichkeit offen hält eines Tages Kinder zu bekommen, trotz starker Chemo die auch die Eierstöcke angreifen wird. Ich fühlte mich völlig überfordert. Bis dahin hatte ich mir noch nie Gedanken um sowas gemacht und wollte das auch nicht da ich auf etwas völlig anderes konzentriert war. Ich heulte los vor Hilflosigkeit. Die Schwestern und die Ärztin versuchten mich zu beruhigen und gaben mir ein Informationsblatt um mir in Ruhe alles durch den Kopf gehen zu lassen. Ich versuchte das auch so sehr ich konnte. Es funktionierte nicht. Ich wollte in dem Moment Nichts davon, lehnte alles ab und weinte überfordert weiter. Ich dachte mein Kopf würde explodieren wenn ich noch eine Minute damit verbringen würde nachzudenken und zu versuchen eine Entscheidung zu treffen. Mein Hirn war überstrapaziert. Ich konnte meine Emotionen einfach nicht mehr kontrollieren. 

 

An der Stelle möchte ich mich von ganzem Herzen bei der Ärztin und den beiden Schwestern für die unglaubliche Geduld und das Mitgefühl bedanken. Ich war ein Wrack das sie vor dem Versinken bewahrten. 

Es vergingen Stunden voller Versuche eine Lösung zu finden und wir einigten uns schließlich darauf, dass ich mir noch Zeit lassen sollte bis Ende des Tages und dann eine Entscheidung treffen sollte. Es war dringlich, da die Chemo nicht warten konnte und das auch nicht sollte.

 

Unzählige Nervenzusammenbrüche später finde ich mich selbst in der hämatologischen Bettenstation wieder. Die Empfangsdame nimmt meine Daten auf, ich werde gebeten zu warten bis ich zur Blutabnahme aufgerufen werde. Das dauerte nicht sonderlich lange und nach einigen aufgeplatzten Venen hatte ich auch eine Leitung gelegt bekommen und wurde in ein Zimmer gebracht. Außer mir lag dort keiner. Es war ein Vierbettzimmer mit abscheulichen, gelben Wänden die ich heute noch vor Augen habe wenn ich an diesen Tag zurückdenke.

Das schönste das ich noch in Erinnerung habe von diesem Tag war das Mittagessen, das ich kaum erwarten konnte, denn ich war am verhungern. Eine Portion Spätzle mit Fleisch und Salat und einer klaren Suppe. Das war für ein Gericht im Krankenhaus sogar lecker. Vielleicht war ich auch einfach zu hungrig. 

Satt und etwas erleichtert, mich endlich hinlegen zu können, versuchte ich mich im Bett auf die von der Gynäkologin vorgeschlagenen Optionen zu fokussieren und war im Zwiespalt zwischen einer Hormonspritze die einen über Nacht in eine künstliche Menopause befördert und die Eierstöcke lahmlegt und dem Einfrieren meiner Eizellen. Schnell wurde mir klar, dass ein Eingriff zur Entnahme der Eizellen die Chemo um zwei Wochen verschieben würde. Das war für mich ausgeschlossen. Ich wollte es so schnell es ging hinter mich bringen. Keine Zeit und vor Allem keine Nerven waren mehr übrig für weiteres Warten. Noch am selben Tag  wurde mir die Spritze verabreicht und bekam neben meinen Krebssymptomen auch noch alle Anzeichen einer Menopause. Ich glaube das war der absolute Höhepunkt der Ereignisse, die man an nur einem Tag haben kann.

 

Am Nachmittag des gleichen Tages hatte ich noch ein Gespräch mit meiner behandelnden Ärztin die mich endgültig aufklärte über meine Diagnose und was auf mich zukommen würde in den nächsten Tagen. Es handelte sich um ein klassisches Hodgkin Lymphom im Stadium 4. Ich habe einen etwa 15 cm großen Tumor im Mediastinum. Meine Milz und mein rechter Lungenflügel waren unter anderem sehr befallen. Es war einfach einschüchternd so etwas zu erfahren. Sie erklärte mir auch, dass bei mir 4 bis 6 Zyklen der Chemotherapie geplant seien. Ich erfuhr welche Nebenwirkungen zu erwarten sind und, dass beispielsweise gegen Übelkeit bereits vor der Chemo eine Infusion verabreicht wird und wenn nötig auch mehr. Mir wurde unwohl bei dem Gedanken an mögliche Folgen einer Therapie und ich hatte mächtigen Respekt davor. 

 

Die Erste Chemo begann erst einige Tage danach, da noch Routineuntersuchungen gemacht werden mussten, um sicherzustellen, dass ich die Chemo vertragen würde. Es wurden ein Herzultraschall, ein Lungenfunktionstest und ein Röntgen gemacht. 

Was mir aber bereits als Infusion verabreicht wurde, als Teil der Therapie, war Kortison. Kortison ist ein Mittel, welches den Appetit anregt und als Teil der Chemo dem Heilungsprozess beiträgt. Während meiner gesamten Chemotherapie musste ich Kortison, später auch in Tablettenform einnehmen. Dieses Medikament hat nicht nur eine appetitanregende Wirkung, es trägt auch dazu bei, dass man anschwillt wie ein Luftballon während der Einnahme.

Erst am dritten Tag meines Aufenthaltes wurde der Erste Beutel der Chemotherapie angehängt und leitete somit den ersten Zyklus ein, welcher jeweils 8 Tage dauerte ab der ersten Infusion des Zytostatikums. Der erste Beutel der Chemo war immer mit einem orangen Zytostatikum gefüllt und wurde gemeinsam mit zwei weiteren Infusionen verabreicht, womit die Dauer des ersten Tages auf etwa 3 Stunden kommt.  Die orange Flüssigkeit erinnerte mich wahnsinnig an einen Aperol und sie versetzte mich auch sofort in einen Zustand, der auch nach einigen Gläsern eintreten würde.

Während der ersten Infusion fühlte ich mich wahnsinnig müde und schlief ein. So erging es mir schlussendlich während jeder der Infusionen. Diese bekam ich in den ersten drei Tagen der Therapie und am Tag 8. In den Tagen 4 , 5, 6 und 7 bekam ich nur Tabletten die aber auch während den Infusionstagen einzunehmen waren.

 

Ich verbrachte etwa 10 Tage im Krankenhaus. Die nächsten zwei Zyklen fanden noch stationär statt und dann wurde mir die Chemo bis zum Abschluss des letzten Zyklus ambulant verabreicht. Während er ganzen Zeit hatte ich Folgeerscheinungen der Chemo, wie zum Beispiel Übelkeit oder Fatigue. Auch das Blutbild spielt eine große Rolle während der ganzen Therapie, dazu jedoch mehr in einem anderen Eintrag.