Wenn ich mir jetzt eine Topliste der einschneidendsten Momente meines Lebens zusammenstellen müsste, wäre das keine schwierige Aufgabe. Alles, was ich bis zum 04.07.2022 als prägend empfand, wurde spätestens nach meinem Telefonat mit der Ärztin, die mir sagte, dass ich Krebs habe, zum Nichts. Zum absoluten Nichts. Alles was mich bis dahin stresste, alles was ich mir wünschte und alles was ich plante, wurde zu einem Haufen unwichtiger Dinge. Ich befand mich plötzlich vor einer Wand die mir den Weg versperrte und mich von meinem Leben trennte. Und das ist nicht einmal so metaphorisch gemeint wie ich es mir wünschen würde. Es gab nur eine Möglichkeit diese Wand zu durchbrechen und sie war alles andere als einfach. Jeder Infusionsbeutel, jeder Nadelstich war ein kleiner Schritt nach vorne und ein Brösel, der von dieser Wand abbröckelte. Ich musste dieses Ding, das mir die Sicht und den Weg versperrte vernichten.
Doch am 04.07.2022 wusste ich noch nicht wie ich das machen sollte. An diesem Tag war ich nur mit der Tatsache konfrontiert worden, dass mir dieses Hindernis nun in den Weg gestellt wurde. Diese Erkenntnis war frustrierend, denn gezwungenermaßen blieb ich jetzt stehen. Ich konnte nicht mehr vorwärts und auch nicht mehr zurück. Ich fühlte mich so machtlos wie noch nie zuvor. In all den Krisen die ich zuvor bewältigen musste, hatte ich immer einen Ausweg parat sowie verschiedene Lösungsansätze. Nun musste ich mich aber auf die Lösungen einlassen, die mir vorgeschlagen wurden. Ich hatte wenig Spielraum und konnte nicht viel beeinflussen.
Der 04.07.2022 bleibt mir in Erinnerung. Nicht nur als der Tag an dem ich erfuhr, dass ich Krebs habe. Er kennzeichnet einen Neuanfang, eine Art Geburtstag. Die Möglichkeit mein Leben von Vorne zu beginnen und dafür zu kämpfen weiteratmen zu können. Ich fühle wenn ich an dieses Datum denke einerseits Schauder, andererseits auch Glück. Ich bin glücklich, dass ich hier sein kann und mich erinnern kann.