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life isn't always fair - Aus dem Alltag einer Krebskranken

Wenn ich an mein Leben vor dem Krebs zurückdenke, denke ich an eine Tanja, die gewissermaßen Sorgen hatte wie jeder andere. Nicht nur Sorgen, auch Erlebnisse, Denkweisen, Hoffnungen und Wünsche die nicht sonderlich von denen meiner Freunde und meiner Umgebung abwichen. Ich hatte Prioritäten, einen Job, ein Studium und ein Leben das sich über Nacht auf den Kopf stellte. Das ist beängstigend. Alles gerät in ein Durcheinander und irgendwie weiß man nicht mehr was nun mit All dem das man bisher kannte und machte, geschieht. 

Ich begann oft nachzudenken und bekam Angst. Angst nie wieder dieses Leben zurückzubekommen.  Meine Wünsche nicht in Erfüllung gehen zu sehen. Ich lebte plötzlich in einer Ungewissheit, jeder Tag war ein neues Kapitel. Ich merkte wie sich meine Sorgen änderten. Meine Wünsche waren neu und Hoffnungen größer als je zuvor. Ich begann anders zu denken und konnte mir nicht mehr vorstellen, mich  über Dinge zu ärgern, die mich früher aus der Bahn geworfen hätten.

Wenn ich nun aber mit Menschen spreche, die ein normales Leben führen, im Sinne von gesundes und krebsfreies Leben,  und mir ihre Probleme und Sorgen anhöre denke ich oft wie unfair das alles doch ist. Während Freunde sich Gedanken um Liebesprobleme, Arbeit und andere alltägliche Dinge machen, höre ich zu und denke nach. Ich versuche zu verstehen, dass auch ich die gleichen Gedanken hatte. Das ich nicht erwarten kann, dass die Welt stehen bleibt nur weil ich im größten Schlamassel meines Lebens stecke. Ich überlege und realisiere dann wie unfair das Leben doch ist. Warum muss ich mich statt mit Herzschmerz, mit Tumorschmerzen, Blutwerten und Therapien herumschlagen? Warum bin genau ich diejenige, die heute wieder Kontrolltermine hat und zittern muss, weil sie Angst hat, dass die Krankheit sich wieder ausbreitet? Warum musste ich statt Prüfungsangst an der Uni, Angst um mein Leben haben? Statt am Abend auszugehen, plage ich mich mit Hitzewallungen und Schlafproblemen herum. Anstatt eines Gläschens Wein, nehme ich Medikamente ein. 

Plötzlich wurde es für andere normal über mein Aussehen zu sprechen und mir ihre Meinung darüber zu sagen. Warum? Warum denkt jemand, dass es angebracht ist, über das Aussehen eines Menschen zu sprechen nur weil dieser krank ist? Ich war mir dessen sehr wohl bewusst, dass ich als Krebspatientin die gerade 6 Zyklen Chemo bekam, dementsprechend aussah. Natürlich merkt man sowas und das gehört dazu, dass sich das Äußere ebenso verändert wie der Zustand im Körper. Ich möchte trotzdem nicht von anderen gesagt bekommen wie schlecht ich aussehe, oder wie sich mein Aussehen doch gebessert hat im Vergleich zum letzten Treffen. 

Wenn ich mich über Müdigkeit beklage oder  Schmerzen habe, höre ich oft von meiner Umgebung, dass sie mitfühlen, denn sie haben das gerade auch, oder hatten vor ein paar Tagen auch Probleme einzuschlafen. Ja, das kann sein und ich glaube ihnen, jedoch kann man diese Müdigkeit nicht mit der Fatigue und den Schmerzen vergleichen, die ich in Folge meiner Therapie und Erkrankung erleide. Jeder Schmerz und jeder unbekannte Zustand löst Angst aus, Angst wieder Neues von der Krankheit zu erfahren. Angst nicht mehr leben zu können. Ich habe sehr oft das Gefühl mich nicht über meine Probleme auslassen zu können, denn das versteht keiner, der nicht in einer ähnlichen Situation gewesen ist. Ich habe das Gefühl nicht immer laut aussprechen zu können, dass ich Angst habe, denn dann wäre ich ja nicht mehr stark. Stark und inspirierend, wie es die meisten nennen.

Oft erfahre ich  Mitleid von meinen Gesprächspartnern und dann stellt es mir die Haare auf (zumindest das Bisschen Haare, das gerade wächst) . Ich bin der Typ Mensch, der Mitleid nicht ausstehen kann. Es hilft mir nicht und gibt mir ein Gefühl des Grauens. Es gibt nur Wenige mit denen man als Krebskranker Gespräche führen kann über sein Befinden und dabei nicht das Gefühl hat alles genau erklären zu müssen und trotzdem auf Unverständnis zu stoßen. Viele haben auch das Bedürfnis und glauben mich mit Samthandschuhen anfassen zu müssen. Das ist nicht notwendig. Ich bin stark genug um über meine Krankheit zu sprechen, um ein normales Leben zu führen soweit es mein Zustand zulässt. Ich bin zwar krank aber nicht zerbrechlich.

 

Ein weiterer Punkt der mich oft in den Wahnsinn treibt, ist diese Frage, die gut gemeint ist aber mittlerweile einfach nur mehr nervt: Geht es dir gut? 

Nein, mir geht es nicht gut! Wie soll es mir gehen. Ich starte in jeden Tag zwar optimistisch und positiv, weiß jedoch, dass jeden Moment eine der Nebenwirkungen meiner Therapien auftauchen kann. Wenn ich zum Beispiel über Schlafprobleme klage, bekomme ich den Ratschlag keinen Kaffee zu trinken. SERIOUSLY??? Das muss des Problems Lösung sein, denn die starke Chemo, die Strahlentherapie, die Hormonspritze und die damit verbundene, künstliche Menopause haben bestimmt nichts damit zu tun.

Auch bekomme ich oft zu hören wie gut ich es jetzt doch habe, da ich nicht arbeiten gehe und zuhause entspannen kann und sooo viel Zeit habe.  To be honest würde ich lieber arbeiten anstatt zur Chemo gehen. Ich mache hier keinen Urlaub. 

Der Post soll nicht falsch verstanden werden. Ich bin mir dessen bewusst,  dass viele Meisten keine Ahnung davon haben was Krebs zu haben bedeutet. Und um Gottes Willen, das wünsche ich nicht einmal meinem größten Feind. Aber der Beitrag  soll klar machen und beschreiben, wie man sich in solchen Situationen fühlt und was man denkt. Jeder der das Gleiche durchmacht wird mich verstehen und bestimmt das ein oder andere Mal eine ähnliche Situation erlebt haben. Es macht mich regelmäßig sprachlos wenn ich lese oder höre was Menschen für angebracht halten zu sagen, wenn wir in ein Gespräch kommen. Ich würde ja gerne den Beitrag mit einem Ratschlag abschließen, der hilft über solche Situationen hinwegzusehen. Eine Strategie zu beschreiben, die es einfacher macht gewisse Gespräche leichter zu ertragen. Leider habe ich sowas noch immer nicht parat. Ich bin selbst regelmäßig am staunen und erlebe das alles öfter als mir lieb ist. Es ist wichtig zu wissen, dass es die Meisten ja gut meinen aber einfach schwer damit umgehen und sich schwer tun eine normale Konversation mit einer Krebskranken zu führen. Das ist kein großes Problem das einen belasten sollte und man darf sich das ganze nicht zu Herzen nehmen aber es ist trotzdem ab und zu ein ziemlicher Struggle. Wir alle müssen stetig Neues dazulernen, haben durchwegs neue Lehrer und erfahren an eigenem Leibe wie das Leben so spielt. 

 

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